
Erntedank
Impuls von Pfarrerin Katharina Weber
Erntedank ist ein Feiertag, mit dem irgendwie jeder etwas anfangen kann. Schon das Wort sagt, was an diesem Fest gefeiert wird – nämlich der Dank für die Ernte. Gerade für die Gemüsebauern und Winzer der Pfalz wird die Dankbarkeit für eine gute Ernte angesichts steigender Dürrezeiten wieder bewusster.
Trotzdem würde ich behaupten, dass bei vielen Christinnen und Christen das Danken für die reiche Ernte nicht unbedingt an erster Stelle der Gebetsanliegen steht. Denn wenn ich mir meine vollen Einkaufstüten nach dem Wocheneinkauf anschaue, habe ich nicht das Gefühl, dass der Klimawandel und damit einhergehend eine schlechtere Ernte in irgendeiner Weise meinen gewohnten Lebensstandard bedroht. Mein Kühlschrank ist immer voll.
Aber vielleicht ist genau das mein Problem – das Problem einer Gesellschaft in einem reichen Land. Wir ken-
nen keine Hungersnot. Oder doch?
Klar, Hunger muss höchstwahrscheinlich keiner von uns leiden. Trotzdem kennen wir Mangel, und es dürstet uns nach mehr.
Denn wer kann schon von sich behaupten, dass er mit allem vollends zufrieden ist? Zufrieden mit seinem Job,
seinem Gehalt, zufrieden mit seiner gesellschaftlichen Stellung, zufrieden mit seinem Äußeren, mit seinem
Alter. Alles muss immer besser, schneller, größer, perfekter werden.
Dankbar und zufrieden zu sein mit dem, was man von Gott geschenkt bekommt, ist nicht immer einfach.
Selbst Jesu Jüngern, die tagtäglich seine Wunder erlebten und denen man ein großes Gottvertrauen nachsagt,
fiel es schwer.
Aber wo die Jünger nicht weiterwissen, wo wir ratlos dastehen, da schlägt die Stunde Jesu. Er nimmt uns in
unserer Notlage an und hilft uns zu erkennen, dass uns Gott reichlich beschenkt hat – mit Nahrung und Klei-
dung, mit Wachsen und Gedeihen in Partnerschaft und Familie, mit großen und kleinen Erfolgen im Beruf.
Da ist also so viel, wofür wir danken können – auch wenn es nicht die riesigen Sprünge sind, auf die der ein
oder andere ein Leben lang wartet.
Das Erntedankfest gibt der Dankbarkeit Raum und wendet sie hin zu Gott. Wer dankt, sieht nichts als selbst-
verständlich an und weiß sich von Gott reich beschenkt. Und ängstliches Sammeln und übermäßiges Sorgen sind
ihm ebenfalls fremd.
Und selbst dann, wenn ich das Gegenteil spüre – wenn plötzlich meine Existenz bedroht ist, der Partner geht
und ich auf einmal allein für die Kinder sorgen muss, die Krankheit schlimmer wird, wenn die Seele Hunger leidet –, selbst dann kann die Fülle an Liebe Gottes gespürt werden.
Danke, Gott!
Pfarrerin Katharina Weber