
Stille Macht, heiliges Aufrütteln
Impuls von Dekan Dietmar Zoller
Bald ist es wieder so weit: Weihnachten!
Die Tage dunkel – die Hoffnung hell!
Was packen wir nicht alles wieder ein und hinein in dieses Fest an Erwartungen: Friede, Freude, Liebe! Dick aufgetragen, wie der Zuckerguss auf den Lebkuchen. Schillernd wie das Lichtermeer. Trost für die ganze Welt!
Und einen Morgen später wachen wir auf und alles ist, wie es war: Die Tage bleiben dunkel und der Baum wird abgeschmückt.
Ist Weihnachten nur eine Flucht aus der Wirklichkeit, die Jahr für Jahr mehr Kummerspeck bereitet?
Völlig zurecht wurde schon behauptet, dass Religion missbraucht werden kann, wie Opium. Eine Droge, die die Menschen ruhig stellt, damit sie nicht aufbegehren gegen unzumutbare oder ungerechte Lebensumstände.
Die Grundstory von Weihnachten ist allerdings alles andere als Vertröstung. Sie bläst zur Revolution!
Wir feiern die Geburt eines Kindes in der Armut eines Stalles. Die Botschaft aus der Futterkrippe ist allerdings nicht: Lasst Euch vertrösten auf ein besseres Morgen und findet Euch damit ab, dass alles bleibt wie es ist! Maria singt in Erwartung ihres Kindes von Umsturz und Veränderung der Verhältnisse. Sie sieht die Throne der Mächtigen wackeln und die kleinen Leute zu gesellschaftlicher Wirksamkeit kommen. Jene, die sich immer nur die Bäuche füllen, sollen einmal spüren, was Hunger ist und die, die jeden Tag darum ringen, wie sie und ihre Familie nur satt werden können, werden sich an vollen Tischen versammeln. (Lk 1,52f.)
Der erwachsene Jesus hat diese Botschaft in seinem Reden und Handeln konkretisiert. Er legt nicht die Hand auf, um zu sagen: Finde dich damit ab, dass alles ist, wie es ist. Er hat die Kraft, sofort zu heilen. Das Leben eines Menschen von einem Augenblick auf den anderen innerlich und äußerlich zu ändern. Und er sagt es ja auch seinen Jüngern: Das Reich Gottes ist nicht ein fernes Wolkenkuckucksheim! Es beginnt hier und jetzt. Mitten unter euch! (Lk 17,21) Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es immer wieder Mächte geben wird, die alles dransetzen, das zu verhindern. Widerstände in uns und von außen. Schließlich sagt uns der Mensch aus Nazareth: Du musst ein anderer werden, damit die Welt eine andere werden kann! Er kann dies auf ein einziges Gebot zuspitzen: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten, wie dich selbst. (Mk 12,30f.) Darin liegt Himmel und Hölle. Scheitern und Neubeginn. Denn hier auf Erden finden wir diese Liebe selten so, dass sie die Welt und uns vollkommen ausleuchten würde. Solch ein heiliger Moment der Unterbrechung soll aber dieser Stall von Bethlehem gewesen sein.
Wenn wir uns aufmachen, einen winzigen Schimmer dieses Lichts für uns einzufangen, kann schon jetzt beginnen, was einst alles in allem sein wird.
Ich wünsche Ihnen liebevoll bewegende Weihnachtstage!
Dietmar Zoller, Dekan.
