„Prüft alles und behaltet das Gute!“
Impuls von Dekan Dietmar Zoller
Die Jahreslosung 2025 hört sich fast wie der Slogan aller zertifizierten Betriebsmittelprüfer und Sicherheitsexperten an. „Prüft alles!“ Da wirst du ja im Leben nicht fertig! Leiterprüfung, elektrische Betriebsmittel, Baumbegutachtung - belaubt und unbelaubt -, Gefährdungsbeurteilung, Brandschutzkonzept, Hygieneunterweisung … Wo bleibt da noch Zeit für die eigentliche Arbeit? Alles geprüft, Schrott beseitigt, Jahr ist um!
Einen kritisch prüfenden Blick haben ganz konkret Presbyter:innen und Pfarrer:innen unserer Region gemeinsam mit Dr. Fabian Vogt, Theologe, Schriftsteller, Kabarettist und Mitarbeiter bei der Evangelischen Arbeitsstelle für missionale Gemeindeentwicklung und diakonische Profilbildung (MIDI) auf unsere kirchlichen Angebote gerichtet. Was lädt bei uns ein, was schließt eher aus? Was uns selbstverständlich scheint, dass da Zahlen an der Wand stehen, mit denen sich in roten oder blauen Büchern Lieder finden lassen; dass da manchmal ein Ruck durch die Gemeinde geht und plötzlich sich alle stellen; dass da irgendjemand von einem 21. Sonntag nach Trinitatis redet und du schlicht nicht weißt, wer dieser Trinitatis war, der uns da verlassen hat; all das macht unsere Gottesdienste für die, die seltener kommen, nicht gerade einladend. Aber oftmals sind es schon kleine Stellschrauben, an denen man drehen und etwas bewirken kann: freundliche Leute, die dich am Eingang der Kirche begrüßen. Ein paar Hinweise, was es alles braucht, um einen Durchblick zu behalten. Einfache Sprache, die dir sagt, was da jetzt gleich abgeht.
Wir mussten aber auch erkennen, dass es bei uns noch so einladend zugehen kann – wenn keiner kommt, nutzt selbst ein Wohlfühlpaket mit Kuscheldecke und Duftöl nichts. Bisher haben wir immer erwartet, dass die Menschen zu uns kommen, aber schon in der Bibel schickt Jesus die Jünger an die Hecken und die Zäune. Wir müssen raus aus unseren Kirchen und rein in die Welt. Den Blick schärfen für den Ort, an dem wir Kirche sind. Die Augen öffnen für die, die es da außer uns noch gibt. Welche Aufgaben gemeinsam angepackt werden müssen, damit ein gutes Zusammenleben gelingen kann? Mit wem wir uns gemeinsam zusammentun können, um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen?
Dabei müssen wir uns frei machen von der weit verbreiteten Denke aller kirchlichen Reformprozesse: „Wie können wir demnächst mit weniger Personal, weniger Geld und weniger Gebäuden das weitermachen, was jetzt auch nicht funktioniert?“ Es braucht vielmehr eine kirchliche Start-up-Mentalität: Arbeit auf Augenhöhe mit anderen vor Ort, um das Beste für unser Zusammenleben zu verwirklichen. Mut für kreative Wege und Projekte. Sozialraumorientierung mit dem Ziel, unseren Glauben als eine konkret lebensverändernde Kraft zu entdecken und für uns und andere Segen spürbar werden zu lassen. Konkret? Vielleicht ist es in dem einen Ort ein gemeinsamer Mittagstisch, der regelmäßig stattfindet, weil es in Gemeinschaft besser schmeckt. Vielleicht ist es woanders ein Fahrdienst für Menschen, die nicht mehr so leicht aus ihrem Ort kommen. Vielleicht braucht es in einem Ort einen netten Abend nur für die Dorfbewohner, um gemeinsam zu feiern und den Zusammenhalt zu stärken. Möglichkeiten gibt es viele. Vor Ort muss entschieden werden, was passen könnte.
Fabian Vogt jedenfalls hat uns ermutigt, einfach mal ein paar andere Wege auszuprobieren. Auch im Gottesdienst. Der wurde mit ihm am 26. Januar in der Marktkirche zu einem kreativen Gemeinschaftsgeschehen mit toller Musik. Und die Speisung der 5000 war für ihn die Aufforderung Jesu an seine Jünger und uns: „Gebt ihr den Menschen zu essen!“ Jesus traut uns zu, dass wir Gaben und Begabungen haben, die andere satt machen helfen. Nicht nur im Bauch, sondern auch in der Seele. Es hilft dabei nicht, in die eigenen Hände zu starren und zu denken, dass das Wenige doch niemals reicht. Wir können den Blick in den Himmel heben und darauf vertrauen, dass Gott schon hilft, dass aus ganz wenig ziemlich viel werden kann.
Kirche wird sich dadurch natürlich verändern, wie sie sich immer schon verändert hat, weil sich das Leben insgesamt verändert und die Bedürfnisse andere werden. Vielleicht muss das in den nächsten Jahren etwas schneller und radikaler sein, weil wir uns etwas zu lange auf unserer guten alten Tradition ausgeruht haben. Wir werden uns mehr aufeinander zu bewegen und miteinander in der Region gestalten müssen. Vielleicht müssen wir auch manches lassen, um anderes mit mehr Kraft zu tun. Jedenfalls konnten wir entdecken, dass allein die, die sonntags im Gottesdienst waren, so viele Gaben und Begabungen hatten, dass wir damit ganze Körbe füllen konnten.
Ich würde mich freuen, wenn Sie mal prüfen, was es da nicht gibt, das Sie in ein gutes Miteinander einbringen können!
Ihr
Dietmar Zoller, Dekan
Dekan Dietmar Zoller